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Schmerzensgelder wegen Datenschutzverstößen

Michael Weber | Allgemein | Sonntag, 11.April 2021

Nach Inkrafttreten der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit und die Medienberichterstattung vor allem auf die empfindlichen Bußgelder, die aufgrund der DSGVO ermöglicht und teilweise auch verhängt wurden. Weniger Aufmerksamkeit erlangte zunächst der neue Anspruch auf Erstattung eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO („Schmerzensgeld“). Dies ändert sich zunehmend. Es liegen bereits einige Entscheidungen vor, in denen sich Gerichte mit Schmerzensgeldansprüchen befassen mussten.

In einem Teil der Entscheidungen wurde ein Schmerzensgeld abgelehnt. In vielen dieser Fälle war bereits fraglich, ob überhaupt ein Datenschutzverstoß vorlag. Dennoch beriefen sich diese Urteile stets auch darauf, dass jedenfalls ein – wenn auch immaterieller – Schaden vorgetragen werden müsse. Nicht jeder Datenschutzverstoß führe automatisch zu einem Schmerzensgeld, insbesondere in Bagatellfällen bestehe kein Anspruch (LG Landshut, Urteil vom 06. November 2020 – 51 O 513/20, LG Köln, Urteil vom 07. Oktober 2020 – 28 O 71/20, LG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2020 – 2-27 O 100/20, LG Frankfurt, Urteil vom 03. September 2020 – 2-03 O 48/19, LG Karlsruhe, Urteil vom 02. August 2019 – 8 O 26/19, AG Bochum, Beschluss vom 11.03.2019 – 65 C 485/18, OLG Dresden, Beschluss vom 11.06.2019 – Az.: 4 U 760/19).

Ob sich diese Ansicht durchsetzen kann, wird nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 14. Januar 2021 (Az.: 1 BvR 2853/19) ein Urteil des Amtsgerichts Goslar aufgehoben, das mit dieser Begründung ein Schmerzensgeld abgewiesen hatte. Das BVerfG begründet dies damit, dass Art. 82 DSGVO nicht ausdrücklich eine Erheblichkeitsschwelle oder eine Ausnahme für Bagatellfälle vorsieht. Das bedeutet nun nicht automatisch, dass es solche Ausnahmen nicht gibt, eine entsprechende Auslegung kann aber nur der EuGH vornehmen, dem der Rechtsstreit nun vorzulegen sein wird.

Es gibt aber auch bereits erste Urteile, in denen Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Das Arbeitsgericht Köln sprach einer als Professorin tätigen Arbeitnehmerin, deren Profil als PDF-Datei zumindest über eine Suchmaschine noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auffindbar war, ein Schmerzensgeld i.H.v. € 300,00 zu (ArbG Köln, Urteil vom 12. März 2020 – 5 Ca 4806/19). Ein Bewerber, den ein potentieller Arbeitgeber über ein soziales Netzwerk kontaktieren wollte, hierbei aber einen anderen Nutzer kontaktierte und dabei unter anderem die Gehaltsvorstellung des Bewerbers offenbarte, erhielt vom LG Darmstadt ein Schmerzensgeld von € 1.000,00 zugesprochen (LG Darmstadt, Urteil vom 26. Mai 2020 – 13 O 244/19). Auch eine unberechtigte SCHUFA-Meldung führt kann zu einem Schmerzensgeld in Höhe von € 1.000,00 führen (LG Lüneburg, Urteil vom 14.07.2020 – 9 O 145/19). Für die unberechtigte Weitergabe von Mitarbeiterdaten an die Ausländerbehörde nimmt das Arbeitsgericht Dresden ein Schmerzensgeld in Höhe von € 1.500,00 an (ArbG Dresden, Urteil vom 26. August 2020 – 13 Ca 1046/20).

Gefährlich kann es werden, wenn ein Betroffener Auskunft über die Verarbeitung seiner Daten nach Art. 15 DSGVO verlangt, und das verantwortliche Unternehmen die Auskunftserteilung verzögert. So geht das Arbeitsgericht Neumünster von einem Schmerzensgeld von € 500,00 für jeden Monat der Verspätung aus (ArbG Neumünster, Urteil vom 11. August 2020 – 1 Ca 247 c/20). Das Arbeitsgericht Düsseldorf nimmt für die ersten zwei Monate der Verspätung jeweils € 500,00, für die weiteren Monate Verspätung jeweils € 1.000,00 als Schmerzensgeld an, zudem weitere jeweils € 500,00 für jeden inhaltlichen Mangel. Dies summierte sich im dort entschiedenen Fall auf ein Schmerzensgeld von insgesamt € 5.000,00 (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18).

Es steht zu erwarten, dass zukünftig die Höhe der Schmerzensgelder für Datenschutzverstöße weiter steigen wird, insbesondere, falls das Berufen auf einen “Bagatellfall” vom EuGH negativ beschieden wird.