Der Ehrliche ist der Dumme
So titelte Ulrich Wickert eines seiner Bücher. Dass er damit nicht nur Recht hat, sondern dies sogar gesetzgeberisch gewollt sei, bescheinigt ihm nun der BGH in einem Urteil vom 19.01.2016, Az. XI ZR 103/15.
Der Sachverhalt ist denkbar einfach: ein Bankkunde bedient seinen Immobilienkredit nicht mehr, die Bank kündigt und will als Schadensersatz nicht nur Verzugszinsen, sondern auch Vorfälligkeitsentschädigung, also den Nichterfüllungsschaden. Den gibt’s aber nicht, sagt der BGH. Der Kunde sei schließlich Verbraucher und bei diesen habe der Gesetzgeber den Schadensersatz von vornherein auf den Verzugsschaden gedeckelt. Der verklagte Kunde müsse daher nur 2,5 % über Basiszins aus der Restvaluta zahlen. Das Argument, dass der vertragsbrüchige Beklagte damit besser stehe als derjenige, der seinen Vertragspflichten nachkommt, ließ der BGH nicht gelten: dies habe der Gesetzgeber (des Verbraucherkreditgesetzes!) so gewollt.
Der BGH schafft damit einen neuen Zweig des Zivilrechts: das Verbraucherzivilrecht, bei dem althergebrachte und bislang unbestrittene Rechtsgrundsätze nicht mehr gelten. Pacta sunt servanda war gestern, wer heute noch trotz langfristiger Bindung mit einem Festzins von mehr als 2,5% über Basiszins als Verbraucher seinen Vertrag erfüllt, ist selbst schuld, lautet die Botschaft. Fragt sich nur, was der BGH macht, wenn die Banken künftig die Kredite nicht mehr kündigen, sondern Vertragserfüllung verlangen und die jeweiligen Zins- und Tilgungsrückstände einklagen. Da dies für den Verbraucher wegen der Kosten aus der Vielzahl der Verfahren noch teurer wird, bleibt abzuwarten, ob der BGH dann vielleicht auf die Idee kommt, das Unterlassen der Kündigung sei treuwidrig und die Bank müsse sich so behandeln lassen, als habe sie gekündigt. Wenn schließlich im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auch für die verbliebenen vertragstreuen Verbraucher der Zinssatz generell auf den gesetzlichen Verzugszins ermäßigt wird, ist ein neues Rechtsgebilde entstanden: der Verbrauchervertrag als für den Verbraucher unvollkommene Verbindlichkeit analog § 762 BGB …….